Stellungnahme zur Gründung einer Gesellschaft für Sozial-, Pflege- und Hilfsdienstleistungen in Greifswald
Die Mitglieder unseres Vereins sind Anbieter sozialer Dienstleistungen in privater wie wohlfahrtlicher Trägerschaft. Mit Sorge sehen unsere Mitglieder die Zunahme des wirtschaftlichen Engagements durch die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern. Zur geplanten Gründung einer Gesellschaft für Sozial-, Pflege- und Hilfsdienstleistungen, SoPHi Greifswald GmbH, möchten wir wie folgt Stellung nehmen:
Der Gesetzgeber hat der Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen Grenzen gesetzt. Die Kommunalverfassungen der Länder enthalten alle entsprechende beschränkende Regelungen. Die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigungen der Kommunen ist zum einen daran geknüpft, dass der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt. Zudem muss das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehen. Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in M-V nur zulässig, wenn die Aufgabe genauso gut und wirtschaftlich wie etwa privatwirtschaftliche Unternehmen erfüllen kann.
Die wichtigste Voraussetzung indes bleibt, dass die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages und der Satzung sicherstellt, dass der öffentliche Zweck des Unternehmens erfüllt wird, und dass die Gemeinde einen angemessenen Einfluss auf das Unternehmen, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan des Unternehmens erhält und dies bereits durch den Gesellschaftsvertrag, die Satzung oder in anderer Weise gesichert ist.
In dem vorliegenden Fall, der geplanten Gründung der SoPHi Greifswald GmbH, sehen wir einen erheblichen Konflikt insbesondere zur privaten (Pflege-)Wirtschaft. Schon jetzt übersteigt das Angebot ambulanter Betreuungsformen außerhalb der eigenen Häuslichkeit die tatsächliche Nachfrage durch pflegebedürftige Menschen und ihrer Familien. Der Businessplan offenbart zudem eine große Unkenntnis über den regionalen Pflegemarkt und die Bedeutung der engen rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Sozialrecht. Preise und Leistungen in der Häuslichen Krankenpflege obliegen eben nicht den freien Kräften des Marktes, sondern resultieren aus den Vertrags- und Vergütungsverhandlungen mit den Kranken- und Pflegekassen.
Das Anliegen einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft nicht allein Wohnraum, sondern überdies so genannte wohnbegleitende Dienstleistungen anzubieten, führt nicht nur zu einer weiteren Verzerrung von Angebot und Nachfrage. Desgleichen besteht die Gefahr, dass private Investoren auf ein Engagement in diesem Bereich verzichten.
Fernerhin sehen wir einen Konflikt zum bestehenden Landespflegerecht, dass ausdrücklich die Wahlfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der zu Pflegenden schützt, in dem es eine strikte organisatorische und wirtschaftliche Trennung zwischen dem Einrichtungsträger einerseits und der ambulant betreuten Wohnform anderseits einfordert. Es ist mithin zu fragen, wie frei ein pflegebedürftiger Mieter der WVG Leistungen einkaufen kann, die nicht von der geplanten SoPHi Greifswald GmbH angeboten werden. Hinzu kommt das offensichtliche Bestreben der WVG, Verluste im Mietgeschäft infolge einer hohen Mieterfluktuation nebst dem einhergehenden Leerstand durch wirtschaftliche Betätigung in vermeintlich gewinnbringenden Pflegemarkt zu kompensieren.
Dabei hat die SoPHi Greifswald GmbH gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen ganz erhebliche Vorteile. Zum einen dürfte deren Insolvenzrisiko zwar theoretisch vorhanden sein, praktisch sich aber nicht auswirken. Kommunale Betriebe können Kredite über städtische Bürgschaften absichern und somit das Insolvenzrisiko minimieren und zugleich auch niedrigere Zinsen erreichen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Quersubventionen zugunsten der SoPHi Greifswald GmbH stattfinden. Außerdem erreicht die SoPHi Greifswald GmbH einen besseren Informationszugang dadurch, dass eine Verknüpfung mit den amtlichen Tätigkeiten der Kommune stattfindet. Konkret betrifft dies etwa die kommunale Pflegeplanung.
Den privatwirtschaftlichen Unternehmen steht demgegenüber ein effektiver und vor allen Dingen sicherer Rechtsschutz, zum Beispiel gegen eine Verzerrung des Wettbewerbs durch von der WVG/SoPHi Greifswald GmbH angebotene günstigere Mieten für pflegebedürftige Bewohner, nach der Kommunalverfassung M-V nicht zur Verfügung.
Wir bitten Sie, daher die Zulassung der SoPHi Greifswald GmbH genau zu prüfen, weil die SoPHi Greifswald GmbH weder einen öffentlichen Zweck erfüllt, die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ist nicht Aufgabe der Kommunen, noch ihre Aufgaben genauso gut und vor allem genauso wirtschaftlich wahrnehmen kann, wie Anbieter in privater Trägerschaft. Wir sehen es als geboten an, eine qualifizierte und unabhängige Erhebung von Angebot- und Nachfrage im regionalen Pflegemarkt durchzuführen, bevor sich die Kommune eine eigenen Anbieter sozialer Dienstleistungen leistet.